Die Ausrichtung der 'Thunerseekirchen' I

Eine Diplomarbeit der Berner Fachhochschule AHB in Burgdorf befasste sich vor einiger Zeit u.a. mit der Ausrichtung der meist über 1000 Jahre alten 'Thunerseekirchen' und postulierte "jede Kirche ist mit Längs- oder Querausrichtung auf eine andere Kirche ausgerichtet."

 

Eine Überprüfung ergibt, dass die Resultate dieser Arbeit, die auch publik gemacht wurde, meist ungenau oder sehr ungenau sind und offenbar nicht hinterfragt wurden; sie haben aber das Verdienst, Interesse an geometrischen Beziehungen zu wecken. Ausrichtungen von alten Kirchen weisen oft auf bemerkenswerte, vermutlich prähistorische geometrische Verbindungen hin (siehe z.B. "Vier (fünf) Kirchen ausgerichtet auf dieselbe Motte ("Burg") Messen SO I + II", "Ausrichtung der Kirchen (Berner Seeland)", "Die Ausrichtungen der Kirchen Vauffelin BE und Lignières NE").

 

Alle in dieser Studie angeführten Kirchen sind "geostet", d.h. "östlich orientiert".

 

Die wahrscheinlich älteste der 'Thunerseekirchen', die Kirche Scherzligen/Thun (um 500 n.Chr.) weist mit ihren 54.6°/234.6° auf die 'Chilchihöhle'/Erlenbach i.S., eine schon in der Altsteinzeit (Paläolithikum) belegte Höhle, die wohl, mit eindrücklicher Sicht auf das nahe Stockhorn, eine bedeutende prähistorische 'Kulthöhle' in dieser Gegend war. (--> Ausrichtung 'Thunerseekirchen' II + III)

 

Die Kirche Steffisburg (48.7°/228.7°) (Ursprung 7./8.Jhdt) ist auf den Berg 'Hohmad' (2075.6m) in der Stockhornkette ausgerichtet, ein markanter Aussichtsberg, der zur Kirche Steffisburg in Sichtdistanz (13.5 km) ist. (--> Ausrichtung 'Thunerseekirchen' III)

 

Die heutige Kirche Hilterfingen (127.4°/307.4°) weist nicht auf die Kirche Scherzligen. Eine erste Kapelle aus dem 7./8. Jahrhundert mit zirka 120.2/300.2° scheint auf den 'Teufelstein' von Uetendorf (609.691/180.585) <der auch ein "Kindlistein" ist> und auf das Erdwerk 'Büelhölzli'/Burgistein (P.653, 605.550/183.255) ausgerichtet gewesen zu sein. (--> Ausrichtung 'Thunerseekirchen' II)

 

Bei der Kirche Einigen/Spiez geht die Ausrichtung (73.1°/253.1°) der heutigen Kirche (10./11.Jhdt) auf das Erdwerk 'Bürgli'/Zwieselberg (P.659, 614.625/172.750) und die vermutete "Motte" 'Geerhubel'/Reutigen (P.645,612.645/172.100). Hingegen gibt es für die Ausrichtung (zirka 57°/237°) der Vorgängerkapelle aus dem 7.Jahrhundert bisher keinen Hinweis.

 

Interessant ist die Ausrichtung der Kirche Sigriswil (86.9°/266.9°) auf die 'Jagdburg'/Höfen, welche vermutlich vom Ende des 13.Jahrhunderts stammt (Studie Armand Baeriswyl 2010). Da diese Kirche ihren Ursprung im 10./11. Jahrhundert hat, wurde sie offenbar auf einen (alten) 'Kultplatz' ausgerichtet, der später mit einem grossen Burgturm überprägt wurde; dies dürfte auch für viele andere Burgstellen zutreffen.

 

So z.B. bei der Kirche Wimmis (7./8.Jhdt), die mit ihrer Ausrichtung von 50.6°/230.6° auf die Burgstelle 'Kronegg'/ Diemtigen zeigt.

 

Oder die Kirche Frutigen (7.Jhdt), deren Ausrichtung von 103.8°/283.8° auf die Burgstelle 'Simmenegg'/Boltigen geht.

 

Bei der Kirche Erlenbach i.S. (1228 erwähnt) weist die Ausrichtung von 81.6°/261.6° sogar auf eine Burgstelle ('Heidenmauer'/'Rosenstein' in Oberwil i.S.), welche eindeutig in ein prähistorisches Erdwerk hineingebaut wurde, worauf auch der Name 'Heidenmauer' hinzeigt.

 

Die Schlosskirche Spiez (7./8.Jhdt) hingegen ist offenbar mit 57.4°/237.4° wieder auf einen Berg ausgerichtet, den 'Abendberg' (1851.5m) im Diemtigtal; dieser ist exakt äquidistant von der Kirche Spiez und vom neolithischen 'Kultplatz' (keine Siedlung !) 'Bürg' (P.684)/Spiez.

 

Der Fall der Kirche Aeschi ist interessant: das Kirchenschiff mit Ausrichtung 54.3° geht auf das 10. Jahrhundert zurück, während der leicht abgewinkelte Chor (50.9°) erst im 13./14. Jahrhundert angefügt wurde. (Einen um einige Grad versetzten Chor im Verhältnis zum Schiff trifft man bei etlichen Kirchen an, z.B. Täuffelen, Nidau oder Wynigen.)

 

Das Kirchenschiff weist auf einen kleinen Hügel (P.572.9) ('Nase') bei der Beatenbucht/Sigriswil, welcher offenbar in der Urgeschichte "bedeutend" war (623.560/170.415, --> Ausrichtung 'Thunerseekirchen' II + IV).

 

Für die Ausrichtung der Kirchen Leissigen (48.4°/228.4°) und Thierachern (65.8°/245.8°) wurden bisher keine triftigen Bezugspunkte gefunden. Auch die Stadtkirche Thun müsste man noch einbeziehen.

Für die elf anderen Kirchen sind die Bezugspunkte ihrer Ausrichtungen ähnlich denen in andern Gegenden der Schweiz.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    isabella (Freitag, 01 Juli 2022 19:05)

    hab thunerseekirchen ll gefunden, einfach viel später im google.
    LG IS