Geheimnisvolle Ausrichtung der Kirchen (Berner Seeland)

 

Es wurde schon früher darauf hingewiesen, dass die Ausrichtung der Kirchen eigenartigerweise auf vermutete oder bestätigte ‚Kultorte‘ wie Kirchen, erratische Blöcke, Schalensteine, Erdwerke, Höhlen etc. zeigen.

Im Berner Seeland ist auffallend, dass sieben Dorfkirchen auf Schalensteine oder erratische Blöcke weisen, zum Teil auf erhebliche Distanz. Wie die überwiegende Anzahl der Kirchen sind auch diese alle „geostet“, d.h. in östliche Richtung ausgerichtet.

Die Kirche Vinelz, in klar erhöhter Lage, zeigt mit 52° auf den Schalenstein Sutz-Lattrigen 02 (583.920/215.670) <10.8 km>, die Kirche von Ins mit 39° auf den Schalenstein Sumpfstein Sutz-Lattrigen 01 (582.300/215.960) <12.3 km>.

Bei der Kirche von Erlach weist die Achse mit 63° rückwärts auf die imposante Blockgruppe Tüfelsburdi auf dem Jolimont, ein offenbar für die Gegend wichtiger Kultplatz in der Frühzeit (572.215/209.355) <1.85 km>.

Eine rückwärts ausgerichtete Orientierung der Kirchen trifft man recht häufig an, da offenbar grundsätzlich eine „östliche Ausrichtung“ ein Muss war. So sind z.B. die drei Kirchen Diessbach (72°), Oberwil b.B. (68.5°) und Rüti b.B. (63.5°, Chor) alle rückwärts auf die Klosterkirche der St.Petersinsel orientiert (nicht in Grafik aufgeführt).

Auch in Sardinien ist eine Rückwärts-Orientierung bei den bronzezeitlichen Grabanlagen Tombe di Gigante nicht selten, wohl aus dem gleichen Grund, da eine (süd-)östliche Ausrichtung angestrebt wurde.

Bei der Kirche Erlach ist noch ein Weg auszumachen, welcher vom Dorf an der Kirche vorbei zur Tüfelsburdi führt, mit einem Hohlwegstück an der Flanke des Jolimont, ein Indiz für einen prähistorischen „Pilger-/Prozessionsweg“?

Die Kirche von Walperswil ist mit 47.5° ebenfalls rückwärts auf den ehemaligen Standort des Schalensteins Müntschemier 01 (576.660/205.800, Gemeinde Ins!) ausgerichtet <9.6 km>, dieser Schalenstein liegt jetzt beim Friedhof von Müntschemier.

Auch die Kirche Kerzers FR ist mit 78° rückwärts auf den imposanten erratischen Block Bloc Agassiz auf dem Mont Vully (572.390/201.240) orientiert <9.25 km>.

Bei der Kirche Siselen weicht die Ausrichtung des Chors mit 55.5°, wahrscheinlich der älteste Teil der Kirche, um einige Grad von derjenigen des Schiffs ab. Diese seltsame Divergenz der Achse von Schiff und Chor ist weniger selten als man denken würde und kaum zufällig.

Diese Ausrichtung von 55.5° weist auf die Kirche Diessbach <15.7 km> (auch die Kirche Burgdorf ist rückwärts auf diese Kirche ausgerichtet) und rückwärts auf den grossen erratischen Block Schallenstein/Ins (575.906/205.691) <6.0 km>.

Bei der Kirche Täuffelen treffen wir wiederum diese Abweichung zwischen Chor (56°) und Schiff (52°) an: der Chor zeigt zur Kirche Büren a.d.A. <15.6 km>, das Schiff rückwärts zum Schalenstein Lüscherz 01 (577.556/209.599) und zur ehemaligen Kapelle St.Jodel/Ins (574.075/207.050) <9.5 km>; der Schalenstein Lüscherz 02 (578.328/209.310) ist äquidistant (4.80 km) von der ehemaligen Kapelle St.Jodel und der Kirche Täuffelen (nicht eingezeichnet in Grafik).

Aber natürlich weisen die Kirchenausrichtungen nicht nur auf grosse Gesteinsblöcke oder Kirchen: die Kirche Bargen (56°) auf das Erdwerk/Burgstelle Rapperstübli (Balmegg)/Balm b.Messen SO (598.935/210.080) <14.2 km>, die Kirche Kappelen (62.5°) auf das Erdwerk Bucherain/Wengi (595.475/215.925) <9.2 km> und die Kirche Aarberg (69.5°) auf die Motte Burg/Brunnenthal SO (601.295/214.605) <14.3 km>, die Kirche Schüpfen ist exakt äquidistant (7.70 km) von der Kirche Aarberg und von dieser Motte Burg; auch die Kirchen Aegerten (105°) und Meikirch (39°) gehen auf diese Motte! (Letztere alle aus Platzgründen nicht eingezeichnet in Grafik.)

Zu erwähnen ist noch, dass für die Ausrichtung der kleinen Kirche in Kallnach (23.5°) und der alten Kirche Lyss (48°) bisher kein Resultat gefunden wurde.

 

Es macht ganz den Anschein, dass beim Bau der ersten, ältere ‚Plätze‘ überprägenden Kapellen, die später zu Dorfkirchen wurden, vermutlich so zwischen dem 7. und 12. Jahrhundert, die uralten „Kultorte“ noch bekannt und wichtig waren, und dass die Ausrichtung dieser Kapellen später beibehalten wurden. Dies zeigt überdies recht deutlich, dass die teils sehr alten „Kultorte“ über Jahrhunderte und Jahrtausende ihre Bedeutsamkeit behielten.

Aber weshalb wurden die christlichen Kapellen auf heidnische Plätze präzis ausgerichtet? War dies eine Art Exorzismus? Oder waren diese Ausrichtungen den frühen Christen so wichtig, dass sie sie beibehalten wollten?

Waren die Ausrichtungen noch von früher her markiert, z.B. durch die Richtung zeigende Menhire oder durch Bodenmarkierungen, oder mussten sie neu bestimmt werden? Gegen erstere Hypothese spräche das Beispiel der Kirche Aegerten, welche auf einer spätrömischen Befestigungsanlage erbaut wurde (die seinerseits eine vorrömische ‚Anlage‘ überprägt haben muss), sowie die recht zahlreichen Kirchen, die auf römischen Gutshöfen (wahrscheinlich ebenfalls zurückzuführen auf die römische Überprägungspolitik) errichtet wurden.

Auch die Divergenz der Ausrichtung von Chor und Schiff gewisser Kirchen, sicher gewollt und nicht durch die Topographie bedingt, ist rätselhaft. Wollte man gleich zwei Ausrichtungen für einen alten Standort? Bei der Kathedrale von Lausanne  wurden sowohl Chor wie Kirchenschiff praktisch zeitgleich (12./13. Jhdt.) erstellt. Dennoch, das Kirchenschiff wurde wohl zumeist später gebaut, z.B. bei der Kirche Büren a.d.A. anfangs des 15. Jahrhunderts, der Chor im 12. Jahrhundert. Waren die „heidnischen Ausrichtungen“ auch am Ende des Mittelalters/zu Beginn der Neuzeit noch von Bedeutung?

Den leichten Knick in der Achsenausrichtung als „Maria beugt sich über das Jesuskind“ zu deuten, ist wahrscheinlich eine etwas gesuchte Metapher dieser konstruktiven Eigenart.

Es bleiben noch viele Fragen offen.

Sumpfstein Sutz-Lattrigen 01
Sumpfstein Sutz-Lattrigen 01

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Kommentare: 1
  • #1

    Lehmann, Werner (Mittwoch, 10 Januar 2018 11:30)

    Sehr geehrter Herr Frey
    Wir untersuchen für ein Buchprojekt Kraftorte und Leylinien im Berner Seeland, bevorzugt an Kirchenstandorten .Alle Kirchen sind vielfältig miteinander verbunden. Anhand der Wirkungen der Strahlen auf die Körperchakren kann ich bestimmte Kirchen ausmachen, welche ich dann mit der Karte überprüfe.
    Ich könnte mir vorstellen, dass ein Zusammenhang zwischen Kraftlinien und den Ausrichtungen der Kirchen besteht. MFG Werner Lehmann 032 323 70 24